Studieren mit Kind: Zwei Studierende berichten von ihren Erfahrungen

Wenn in der Klausurenphase nicht nur einer weint: Für Eltern kann ein Studium zur Herausforderung werden.

Für Lukas Traub und seine Frau ist der eineinhalb Jahre alte Moritz ein absolutes Wunschkind. Traub hat sich nach dem dritten Semester des Studiengangs BWL – Industrie für ein Jahr beurlauben lassen, um sich seinem Sohn zu widmen. Nach der Elternzeit konnte Lukas im vierten Semester wieder einsteigen. Allerdings: Nicht in jeder Branche ist die Elternzeit für Väter ein häufig genutztes Modell, das erkannte der Student auch in seinem Umfeld.

Im Alltag beweisen die jungen Eltern großes organisatorisches Talent. Während Moritz´ Mama, die als Lehrerin an einer Grund- und Hauptschule arbeitet, den Sohn in die Kita bringt, macht sich Lukas Traub auf den Weg zu den Vorlesungen am Vormittag.

Der 28-Jährige nutzt seine verfügbare Zeit gezielt, dies spiegelt sich in seinen sehr guten Noten an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg wider. „Ich habe gelernt, effektiver zu arbeiten und die Zeit zu nutzen“, sagt Traub. Seine Kommilitonen, Arbeitskollegen und Dozenten in Heidenheim seien zwar sehr überrascht gewesen, als er ihnen vom Familienzuwachs erzählte, aber sie hätten sich auch mit ihm gefreut. „Unter Erziehungsurlaub stellen sich die meisten jedoch tatsächlich Urlaub vor anstelle von Windelwechsel und schlaflosen Nächten“, erzählt er.

Aufgrund der großen Distanzen zu ihren Elternhäusern finden die Traubs relativ wenig praktische Unterstützung aus der Familie. Da die DHBW Heidenheim versucht, studierenden Eltern mit flexibleren Anwesenheitspflichten und Kooperationen mit Betreuungseinrichtungen entgegenzukommen, fühlt sich Lukas Traub aber dennoch gut betreut und beraten seitens der Hochschule.

Zwischen den Unterlagen fürs Studium liegt das Spielzeug

Auch wenn der Alltag noch so gut eingespielt sein mag, spätestens in Klausuren- und Prüfungsphasen wird es für Studierende mit Kind oft stressig. „Meine Unterlagen fürs Studium liegen dann auch mal verstreut mit dem Spielzeug von Gabriel auf dem Wohnzimmertisch“, erzählt Nadine Burkhardt aus Heidenheim. Die 37-jährige Powerfrau studiert im dritten Semester Sozialmanagement an der DHBW Heidenheim und meistert ihren Alltag als Studierende und alleinerziehende Mutter.

Ihr neunjähriger Sohn Gabriel besucht die 4. Klasse, ist aber auch für die Kommilitonen und Dozenten seiner Mutter kein Unbekannter: Nach der Nachmittagsbetreuung besucht er seine Mama in der Vorlesung und hört gespannt den Dozenten zu. Hier bekommt Nadine Burkhardt Unterstützung von ihren Kommilitonen, vor allem ihre männlichen Mitstudierenden albern gerne mal mit Gabriel herum.

„Ohne die reservierten Freizeitplätze in den Sommerferien wäre die Betreuung schwierig geworden“, sagt Burkhardt. Und sie äußert weitere Ideen, wie die DHBW ihre studierenden Eltern unterstützen könnte. Eine zusätzliche Kinderbetreuung für die Abendvorlesungen oder ein Stillzimmer schlägt sie vor. Dies gebe es an größeren Hochschulen bereits.

Selbst- und Zeitmanagement ist notwendig

„In der Klausurenphase darf Gabriel auch mal unter der Woche fernsehen“, sagt Nadine Burkhardt. Dies sei aber die Ausnahme, da sonst gewisse Regeln ein fester Bestandteil ihrer Erziehung sind. Die letzten Wochen vor den Prüfungen verlangen Nadine einiges ab. Doch durch ihr durchstrukturiertes Selbst- und Zeitmanagement bekommt sie beides unter einen Hut. Die Wochenenden seien für Gabriel reserviert. Dann plant sie Ausflüge, die ihm besonders viel Spaß machen.

Innerhalb der DHBW haben Studierende und Mitarbeiter mit Kind einen festen Ansprechpartner: Prof. Till Hänisch ist neben seiner hauptberuflichen Professorentätigkeit im Studiengang Wirtschaftsinformatik auch Beauftragter der DHBW Heidenheim für die „Familiengerechte Hochschule“.

Kinderbetreuung während der Ferienzeit

Derzeit ist der 51-Jährige, selbst Vater einer siebenjährigen Tochter, im Gespräch mit dem Tagesmütterverein Heidenheim, um eine Kinderbetreuung während der Ferienzeiten für Studierende und Mitarbeiter der DHBW gewährleisten zu können. In den vergangenen Jahren habe sich der Fokus von den Mitarbeitern auf die Studierenden erweitert, so Hänisch.

An der DHBW sind vermutlich rund 80 Studierende mit einem oder mehreren Kindern eingeschrieben, von denen überwiegend Frauen auf Unterstützungsangebote zurückgreifen. Dies sei vermutlich auf die traditionelle Rollenverteilung zurückzuführen, glaubt Hänisch.

Seit einem Jahr ist Hänisch mit dem Thema betraut und will das seit 1999 bestehende Zertifikat „Familiengerechte Hochschule“, das erstmals 2012 an die DHBW Heidenheim verliehen wurde, weiterführen. Das Zertifizierungsverfahren findet alle drei Jahre statt, dabei werden stets neue Ziele formuliert, um eine ständige Qualitätsverbesserung zu gewährleisten. „Die Aufgabe, die DHBW Heidenheim als familiengerechte und familienfreundliche Hochschule weiterzuentwickeln, ist ein Gemeinschaftsprojekt“, betont Till Hänisch. Um hierbei Fortschritte zu erzielen, bedarf es der Ideen und der Mitarbeit von allen Beteiligten; Verbesserungsvorschläge seien willkommen. Eine spezielle staatliche Förderung für Hochschulen bestehe laut Hänisch allerdings nicht.

Über solche Fragen macht sich Moritz Traub natürlich noch keine Gedanken: Während sein Vater interviewt wird, hat er in jeder Hand einen Spielzeugtraktor – und scheint damit sehr zufrieden.

Info:

Der Artikel wurde im Rahmen des Seminars "Pressearbeit" von Studierenden des Studiengangs Soziale Arbeit verfasst.