Frauen in der Wissenschaft: Prof. Dr. rer. nat. Sujata Huestegge
Prof. Dr. rer. nat. Sujata Huestegge ist seit 2020 Professorin an der DHBW Heidenheim. Sie berichtet, warum Sie Professorin wurde, welche Herausforderungen es auf dem Weg gab, und was für Frauen in der Wissenschaft anders ist als für Männer.
14 Professorinnen lehren und forschen an der DHBW Heidenheim. Eine davon ist Prof. Dr. rer. nat. Sujata Huestegge. Sie ist seit 2020 Studiengangsleiterin für Interprofessionelle Gesundheitsversorgung an der DHBW Heidenheim. Ein Interview über das „Professorin-sein“:
Warum sind Sie Professorin geworden?
„Da ich schon während meiner Ausbildung das Lehren attraktiv fand, habe ich mich (allerdings sehr langsam) an die Position der Professorin herangetastet, jedoch ohne dies explizit als Ziel vor mir zu sehen. Neben meiner wissenschaftlichen Weiterentwicklung habe ich schon früh die Rolle der Dozentin in verschiedenen Kontexten eingenommen. Mein kreatives Naturell traf dabei auf das strukturierte wissenschaftliche Arbeiten, was bei der Durchführung von innovativen Ansätzen zur experimentellen Erforschung von Grundlagenthemen gewinnbringend eingesetzt werden konnte. Die Entscheidung, Professorin im Bereich der Gesundheitswissenschaften zu werden, erfolgte allerdings erst mit meiner erfolgreichen Bewerbung in Heidenheim.“
Was war eine der größten Herausforderungen auf dem Weg dahin?
„Bei mir war der Weg das Ziel, da ich das Outcome „Professur“ nie direkt geplant hatte. Irgendwann war der nötige Weg zur Professur gegangen, und ich konnte aufgrund der vorhandenen Qualifikationen – die ich im Vorfeld nicht strategisch geplant hatte – als Professorin eingesetzt werden, wie mir irgendwann klar wurde. Die größte Herausforderung in meiner beruflichen Laufbahn waren die vielen Möglichkeiten der beruflichen Ausgestaltung. Daher hieß es, den Fokus zu behalten und angefangene Dinge zu Ende zu bringen. Ich habe nach meiner Ausbildung zur Logopädin dann das Studium und eine Promotion mit drei Kindern sowie diverse Jobs unter einen Hut gebracht und viele Momente gehabt, bei denen ich gründlich abwägen musste, ob ich den richtigen Weg gehe, wenn ich das Studium bzw. die Promotion neben der Familie weiter durchführe. Schlussendlich waren viele Faktoren sowie (nicht zu unterschätzen!) Zufälle und Glück für meine berufliche Entwicklung förderlich. Sehr nützlich war sicherlich, dass ich keine Gelegenheit der Weiterentwicklung ausgelassen habe, die sich angeboten hat und machbar erschien.“
Was möchten Sie jungen Schülerinnen und Studentinnen mit auf den Weg geben?
„Folgt Eurer Motivation und versucht, eine gute Balance von Familie/Freunden und Beruf anzustreben. Eine Balance zu finden bedeutet aber auch, die richtigen beruflichen aber auch privaten Partner*innen zu finden, die die eigenen Bedürfnisse und die Entwicklung über die Jahre unterstützen. Ich denke da an die Möglichkeit, als Mutter oder in Zeiten von anderer Sorgearbeit in Teilzeit oder flexibel arbeiten zu können. Auch Partner*innen und Freunde können große Unterstützung leisten, um eine berufliche Anstrengung besser zu bewältigen. Ein Netzwerk von Unterstützern kann schon im Studium geknüpft werden.“
Was ist für Frauen in der Wissenschaft anders als für Männer?
„Definitiv müssen die meisten Frauen – in der Familienphase oder bei der sogenannten „Sorgearbeit“ – zwischen Beruf und privaten Engagements eine Art Spagat vollziehen. Allerdings wird durch die gesellschaftliche Weiterentwicklung dieser Spagat auch zunehmend von den Männern mitgetragen, die ebenfalls in die Versorgung der Kinder oder der eigenen Eltern mehr eingebunden sein wollen. Wissenschaftliches Arbeiten braucht viel Zeit und Geduld. Ein Paper zu schreiben ist der Herstellung eines Kunstwerks ähnlich. Es gibt viele Phasen und Hürden, die Zeit und Nerven beanspruchen. Neben den familiären Themen kann dies ein erhöhtes Management erfordern. Ich glaube nicht, dass Frauen ganz anders als Männer sind. Traditionellerweise möchten oder müssen Frauen nur auch noch andere Aufgaben erfüllen, und die Forschung ist etwas, das in manchen Phasen die volle Aufmerksamkeit braucht. In diesen Phasen müssen Frauen (wie Männer) alles andere für eine Zeit auf Eis legen, damit das Forschungsprojekt gelingen kann. Das tägliche Geschäft z.B. der Familienarbeit muss dann von anderen übernommen werden. Ich hatte das Glück, dass ich in diesen heißen Phasen meine Eltern und Schwiegereltern für meine Kinder einsetzen konnte, da mein Mann ebenfalls in Forschungsprojekte eingebunden war.“
Lassen sich Familie und der Job als Professorin gut vereinbaren?
„Das ist eine gute Frage, denn letztendlich entscheidet die Frau selber, wie viel Sie von sich jeweils in diesen Rollen einbringen möchte. Da Professuren in der Regel als Vollzeitstelle ausgeschrieben werden und die Herausforderungen einen gewissen Anteil an Mehrarbeit bedeuten, können für manche Konstellationen Probleme entstehen. Dennoch ist es so, dass eine Professur oft auch einen gewissen Gestaltungsspielraum lässt, den man nutzen kann und sollte. Zum Beispiel kann ich inhaltliche und zeitliche Freiheiten im Rahmen meiner Professur mitgestalten, was meiner Vorstellung von partizipativer Arbeitsgestaltung entgegenkommt.“
Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern, damit mehr Frauen Professorinnen werden?
„Ich glaube, dass die Anforderungen einer Professur hoch sind, jedoch nicht höher als in anderen verantwortungsvollen Jobs. Da Frauen oft sehr gewissenhaft und weniger risikobereit veranlagt sind, kann es passieren, dass Sie sich nicht bewerben, obwohl sie für eine Tätigkeit eigentlich qualifiziert sind. Wir sollten daher mehr Headhunting für die Besetzung von Professuren betreiben, um die Frauen zu entdecken, die sich nicht selber auf den Markt bringen.“
Über Sujata Huestegge:
- Ausbildung zur staatlich anerkannten Logopädin (Uniklinikum RWTH Aachen)
- 1995-2003 Therapeutische Tätigkeit in logopädischen Praxen
- Studium Dipl.-Lehr- und Forschungslogopädie (RWTH Aachen)
- 2008 Gründung/Leitung: Fachpraxis Praxis für Stimme; Fortbildungsplattform stimmraum aachen
- 2013-15 Lehrlogopädin (dbl), Berufsfachschule für Logopädie Caritas Schulen gGmbH (Würzburg)
- 2014-20 Studiengangskoordinatorin im dualen Bachelor-Studiengang Akademische Sprachtherapie/Logopädie (Universität Würzburg)
- Dozentin im Lehrauftrag am Lehrstuhl für Sonderpädagogik/Sprachheilpädagogik (Universität Würzburg) und an der FH Joanneum (Graz) sowie hauptamtliche Dozentin an der Hochschule für Musik und Theater München (HMTM)
- 2019 Promotion (rer. nat.): „Kognitive Verarbeitung von Stimminformation“ (Universität Würzburg)
- seit 2020 Professorin für Gesundheitswissenschaften; Studiengangsleitung für Interprofessionelle Gesundheitsversorgung an der DHBW Heidenheim
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