Das Simulationslabor am Gesundheitscampus Ulm-Wiblingen
Im Simulationslabor („SimLab“) der DHBW Heidenheim üben Studierende der Hebammen- und Pflegewissenschaften Handlungsabläufe, Teamwork in komplexen Situationen und kritische Ereignisse, die in der Praxis seltener erlebt werden. Auch studiengangsübergreifende, über verschiedene Studienjahre hinweg und mit anderen DHBW-Standorten werden Lehrveranstaltungen mit den Studiengängen Angewandte Hebammenwissenschaft, Angewandte Gesundheits- und Pflegewissenschaften und Medizintechnische Wissenschaften abgehalten. Simulationslabore dienen als dritter Lernort, um den Transfer zwischen Theorie und Praxis weiter zu verbessern. Sie unterstützen Studierende bei der Entwicklung von grundlegenden Fertigkeiten und Abläufen, die in Kliniken und Gesundheitseinrichtungen eingefordert werden.
Ziele
Die Labore verfolgen das Ziel, den Lehr- und Lernerfolg der Studierenden zu optimieren und gleichzeitig eine zeitgemäße, praxisnahe und nachhaltige Ausbildung zu garantieren. Insbesondere werden dazu neben subjektiver Selbsteinschätzung und traditioneller Überprüfung von Kompetenzen auch digitale Hilfsmittel integriert. Dazu gehören Videoanalysen oder Simulationen von physiologischen und pathophysiologischen Veränderungen (z.B. Vitalwertveränderungen, Lungen- und Herzgeräusche, Geburtsverlauf usw.). Der Gesundheitszustand von Patient*innen oder Frauen während der Geburt kann durch die Instruktor*innen spontan verändert werden, und erhöht durch flexible Problemlösungsanforderungen den Realitätsbezug.
Forschungs- und Kooperationsgebiete
Interprofessionelles-Peer-Teaching
- Projektierung: April 2019 - Dezember 2020
Projektbeschreibung
Ein interprofessionelles Peer-Teaching mit Studierenden des fünften Semesters am Gesundheitscampus Ulm-Wiblingen wurde nach der Entwicklung und Pilotierung begleitevaluiert. In Anlehnung an die didaktische Konzeption des CanMEDs-Modell wurden Fokusgruppeninterviews mit 24 examinierten Gesundheits- und Krankenpflegenden, Kinderkrankenpflegenden und Hebammen durchgeführt und mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring mit MaxQDA ausgewertet. Im interprofessionellen Peer-Teaching wird die Fachkompetenz der Studierenden durch die Erweiterung des Hintergrundwissens in Diagnostik und evidenzbasierter Assessments ausgebaut. Durch das Ausüben der Heilkunde im Skills-Training und im Szenario wird die Methodenkompetenz gefördert. Die Studierenden vertiefen ihre soziale und personale Kompetenz durch die Übernahme fachlicher und ethischer Verantwortung in interprofessionellen Teams. Sie erhalten ein erweitertes Verständnis des eigenverantwortlichen Handelns und der Fallverantwortung durch das gemeinsame Arbeiten und entwickeln dadurch eine übergreifende Handlungskompetenz.
Eine Vertiefung in den CanMeds Rollen Scholar, Collaborator und Professional konnte erreicht werden. Aus den Ergebnissen ist der fachliche und professionsübergreifende Lernfortschritt der Studierenden zu erkennen. Zudem wurden sie für die eigene professionelle Identität sensibilisiert, erkannten die eigenen Grenzen und entwickelten Respekt für andere Professionen. Das Lernen und Anwenden strukturierter Kommunikationsregeln wird von Studierenden als besonders schwierig empfunden, welche und beim Teaching realitätsnah geübt werden kann. Verbesserungen wurden in puncto Häufigkeit und Zeitraum empfohlen. Das interprofessionelle Peer-Teaching sollte früher und häufiger erfolgen, um die Zusammenarbeit, das Verständnis für andere Berufsgruppen und ein studiengangübergreifendes Miteinander von Beginn an zu fördern. Ferner sollen weitere Berufsgruppen interdisziplinär integriert werden.
Die Lehrmethode überzeugte durch eine hohe Realitätsnähe in der Simulation, eine direkte Umsetzung von theoretischen Inhalten eine verbesserte, übergreifende Teambildung, und rechtfertigt daher einen erhöhten Ressourcenbedarf.
Publikationen
Evaluation simulationsbasierter- Lehr- und Lernmethoden
- Projektierung: April 2020 – September 2022
Projektbeschreibung
Durch die Akademisierung und gesetzlichen Vorgaben zur Simulation in der staatlichen Prüfung steht die Hebammenlehre vor neue Herausforderungen. Ziel dieser prospektiven Kohortenstudie ist die Evaluation entwickelter Simulationsszenarien anhand quantitativer Überprüfung des Lernzuwachses im Rahmen des DHBW Kompetenzmodells. Dies wird durch validierte Prä-post-Fragebögen und dem Kohortenvergleich von Hebammenstudierenden und Hebammenauszubildenden untersucht.
Im Rahmen der Forschung werden an unterschiedlichen Hochschulen und Hebammenschulen im süddeutschen Raum eintägige Inhouse-Simulationsseminare durchgeführt. Dabei evaluieren die Proband*innen ihre Selbstsicherheit und ihr Fachwissen wird geprüft. Zusätzlich werden von ihnen die Simulationsszenarien mit validierten Fragebögen bewertet. Gutachter*innen vergleichen anschließend den Kompetenzzuwachs der Proband*innen in den Szenarien durch Videoanalysen mit validierten Tools aus der Simulation.
In der Pilotstudie zur Evaluierung des interprofessionellen Peer-Teachings wurden Erkenntnisse gewonnen, welche in die vorliegende Studie aufgenommen wurden. Dazu gehören die Zunahme des Fachwissens, ein Kommunikationstraining im Team unter realitätsnahen Szenarien und eine hohe Praxisnähe durch realitätsnahe Simulatoren, entsprechend ausgestattetes SimLab und gemeinsames Arbeiten im Team.
Publikationen
Oberle, C. (2021). Methodik zur Evaluation simulationsbasierter Lehre. Konferenz-Poster.
Ausbau von Kooperationen
Weiterführende Entwicklungen und Kooperationen, bei denen angehende Ärzte, Hebammen und Pflegende im SimLab zusammen lernen, sind aktuell geplant. So sollen in Kooperation mit der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm Simulationen zur Geburtshilfe von Medizinstudierenden und Hebammenstudierenden durchgeführt werden.
Lehrgebiete
Simulation im Gesundheitsfachbereich
Die Simulation wird als effektive Maßnahme zur medizinischen Lehre und als Verbindung von Theorie und Praxis gesehen (Kainer & Scholz, 2016, S. 2 f.). Im Studium entwickeln angehende Hebammen und Pflegekräfte in einem mehrstufigen Konzept zunächst in Skill-Trainings grundlegende Fertigkeiten. Darauf aufbauend werden diese in vernetzte Handlungsabläufe integriert, bevor sie in komplexen (Notfall-)Szenarien simuliert werden (Schwarz, 2016, S. 53). So können zum Beispiel Notfälle durch Simulation und Üben in sicherer Umgebung besser bewältigt werden (Kainer & Scholz, 2016, S. 2 f.). Denn hier können sanktionsfrei Fehler gemacht werden, ohne Patient*innen zu gefährden. Ein videogestütztes Debriefing im Anschluss an die Simulation führt zur verbesserten klinischen Kompetenz und Kommunikation (Noordman et al., 2014, S. 2272).
Qualifikationen
Im SimLab wir die klinische Entscheidungsfindung der Studierenden trainiert indem sie die klinische Urteilsbildung in Bezug auf menschliche Reaktionen bei gesundheitlichen Problemen in Lebensprozesse im Rollenspiel anwenden. Denn die vielfältigen menschlichen Reaktionen erhöhen die Komplexität des Diagnostikprozesses, um die Entscheidung für eine (Nicht-) Interventionen zu begründen. Mit den unterschiedlichen Fällen in Szenarien wird Clincal Reasoning (= Handlungs- und Entscheidungsprozesse in der Diagnostik und Therapie) von den Studierenden aktiv angewendet. Dabei müssen die Studierenden ihre Gedankenabläufe und Entscheidungsfindungen während der Behandlung begründen. Neben dem theoretischen und evidenzbasierten Wissen wird die individuelle Situation beachtet. Durch die aktive Fallarbeit der Studierenden im SimLab entwickeln sie ein tieferes Verständnis für das eigene Handeln wodurch Konsequenzen für das berufliche Handeln in der Praxis mitgenommen werden. Mit der wiederholten Anwendung von medizinischen und professionsspezifischen Handlungsalgorithmen entwickelt die Studierenden eine Routine in seltenen komplexen Situationen.
Theorie-Praxis-Transfer
Eine wichtige Rolle in Simulationsszenarien sind die sogenannten NOTECHS (= Non Technical Skills), dabei werden Kommunikation, Teamarbeit, Situationsbewusstsein und Entscheidungsfindung geübt (Pateisky, 2016, S. 33). Indem die Studierenden diese nach theoretischer Einführung selbst anwenden und gemeinsam mit der Lehrperson im Debriefing mithilfe der Videoaufzeichnung reflektieren, findet die direkte Umsetzung statt. Die Lehre im SimLab stellt mit Hilfe komplexer Simulationsszenarien einen sinnvollen Theorie-Praxis-Transfer dar, der in Seminaren kaum vermittelt werden kann. Durch moderne technische Simulatoren entstehen realitätsnahe Simulationen mit Interaktionsmöglichkeiten, die bisher nicht umzusetzen waren. Studierende schätzen die Praxisnähe trotz verbleibenden Differenzen zu realen Versorgungssituationen sehr, insbesondere durch die Trainingsmöglichkeiten in einem geschützten Raum.
Interprofessionelles Lernen
Die Interprofessionalität wird von der WHO bereits seit zehn Jahren für die Lehre empfohlen (World Health Organisation, 2010, S. 7). Praktische Lehre durch interprofessionelle Simulation in komplexen Situationen ist Bestandteil des Studiums, da effektives Arbeiten in der Gesundheitsversorgung durch Simulationen trainiert wird (Rall & Dieckmann, 2005, S. 273) und durch gemeinsames Lernen die Zusammenarbeit in der Zukunft verbessert wird (Zamjahn et al., 2018). Zudem trägt interprofessionelles Arbeiten im späteren Beruf dazu bei, die Patientensicherheit zu verbessern (Breckwoldt et al., 2019, S. 1).
Hebammenstudierende
Studierende des Studiengangs „Angewandte Hebammenwissenschaft“ trainieren im SimLab zur Vorbereitung auf die Praxis mit unterschiedlichen Teil- und Ganzkörpersimulatoren. Dabei wird der Betreuungsbogen der Hebamme von Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit berücksichtigt. Neben dem klinischen Setting und dessen entsprechender Ausstattung, wird auch für die außerklinische Versorgung und Betreuung ausgebildet. So werden die Absolventen und Absolventinnen auf die Praxis beim Dualen Partner und das spätere Berufsleben möglichst praxisnah vorbereitet.
Pflegestudierende
Studierende der „Angewandten Gesundheits- und Pflegewissenschaften" trainieren im Rahmen des klinischen Assessments physiologische und pathophysiologische Befunde. Dazu gehört beispielsweise das Abhören der Lungen, Herz- oder auch Darmgeräusche. Die Werte können dabei dynamisch verändert werden, und die Studierenden müssen im Team spontan auf die Veränderungen reagieren. Für eine realitätsnahe Anwendung werden unterschiedliche Settings wie Ambulanz/Notaufnahme, Patientenzimmer oder eine häusliche Umgebung simuliert. Die verschiedenen fach- und professionsspezifischen Handlungskompetenzen werden mit entsprechenden diagnostischen Instrumenten und Ausstattung (z.B. Funktionsdiagnostik, Monitoring, Interaktion über Tutoring usw.) erworben. So können alle Lebensbereiche vom Neugeborenen bis zum hochbetagten Menschen dargestellt und gelehrt werden.
Ausstattung
Das SimLab am Gesundheitscampus Ulm-Wiblingen umfasst einen Simulationskreißsaal, der mit einem Gebärbett, einer Gebärinsel, einer Versorgungseinheit für Neugeborene und dem entsprechendem Equipment für die Mobilisation und mehr Bewegungsfreiheit unter Geburt ausgestattet ist. Weiteren sind ein Raum mit Liege und ein Zimmer mit Pflegebetten und der notwendigen Ausrüstung zur Diagnostik vorhanden, um eine möglichst realitätsnahe Umgebung zu schaffen. Für die Videoübertragung während der Szenarien und dem anschließenden Debriefing wird ein Vorlesungssaal mit entsprechender technischer Ausstattung genutzt.
In den Skills-Übungen, OSCE Stationen (Objective Structured Clinical Examination) und in Simulationsszenarien wird mit selbstgestalteten Rollenspielen, Simulationspatienten, Teilsimulatoren, und Trainingspuppen, die auch computergesteuert werde, (= Low- und High-Fidelity-Simulatoren) gearbeitet, um den Lernerfolg möglichst praxisnah zu inszenieren.
Für die Diagnostik und Versorgung ist das Labor mit hochwertigem medizinischem Equipment der jeweiligen Fachbereiche ausgestattet, so dass die Studierenden die Routine in der Vitalzeichenkontrolle, mit dem CTGs und unterschiedlicher medizinischer Instrumente erlangen können. Durch den Ulmer Notfallkoffer und entsprechenden Simulatoren wird die Erstversorgung von allen Studierenden regelmäßig durchgeführt, um Sicherheit in der bestmöglichen Patientenversorgung zu erzielen.
Elementar in der Lehre mit Simulation ist das Debriefing (=Reflexion) nach dem Szenario. Dies wird mit dem tragbaren Kamerasystem „Learning Space Experience“ der Firma CAE unterstützt. Dabei werden die Szenarien aufgenommen und im Anschluss mit den Kommilitonen* innen und Dozierenden analysiert. Hier stehen die Reflexion und neue Lösungsansätze im Fokus. Indem die Teilnehmer*innen der Simulationsszenarios von anderen Studierenden eine Rückmeldung auf Augenhöhe bekommen und sich selbst in Aktion sehen kann eine ausführlichere Reflexion und ein Transferausbau für die Praxis vertieft werden.
Simulatoren
Simulatoren / Ausstattung | Anwendung |
Säuglingspflegebabys (Firma Koken und Firma Skillsmed) | pflegerische Betreuung bei Neugeborenen in Skills und Rollenspielen im Szenario |
Ganzkörper Schwangerschafts- und Geburtssimulator (Firma Koken) | Nachstellung und Simulation aller Phasen von Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit |
Ganzkörper Pflegesimulator Juno (Firma CAE) | Simulation von pflegerischen Tätigkeiten, Handlungsabläufe im Team und klinischen Entscheidungsfindung, (z.B. Auskultation von Lunge, Herz und Darm, Palpation des Pulses, komplexe Notfallsituationen: inneren Blutungen, Asthma Management, Einsatz von Defibrillation) |
SimBaby (Firma Laerdal) | pädiatrische Versorgung, Diagnose und Behandlung von physiologischen und komplexen Situationen, arbeiten in interprofessionellen Teams |
Prompt Flex (Firma Limbs & Things) | Feststellung des Geburtsfortschritts und Begleitung von Geburten mit Skills in Handlungsabläufen und in Simulationen verschiedener Geburtsmodi |
Kyoto Kagaku Schwangerschafts- Untersuchungssimulator | Palpation des Fetus, Abhören / Auskultation fetaler Herztöne |
geburtshilfliches Phantom „Medacta“ (n. Schultze-Jena) | Skills und Handlungsabläufe verschiedener Einstellung des Kindes und Geburtsmodi |
Mama Birthie und Mama Natalie (Firma Laerdal Medical) | Rollenspiele und Simulation in Schwangerschaft, Geburt und in der frühen Zeit nach Geburt in der Physiologie und in komplexen Situationen |
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